Industriepark Höchst: Vulcan Energy startet die Lithium-Produktion in Frankfurt
Das zentrale Element erhebt sich allen, es strömt Wärme aus, arbeitet jedoch lautlos. Andere Maschinen, Filtereinrichtungen und Zentrifugen sind noch inaktiv, lediglich ein Kessel gibt ein konstantes „Pffft, pffft“ von sich. Von dem weißen Pulver, auf das hier alles ausgerichtet ist, ist noch kein Körnchen in der neuen Lithiumfabrik in Frankfurt zu sehen. Diese Produktionsstätte des Unternehmens Vulcan Energy wurde in dieser Woche in Betrieb genommen und am Freitag mit Geschäftspartnern sowie politischer Prominenz festlich eröffnet.
Obwohl die Produktion in dieser mit 400 Quadratmetern eher klein bemessenen Fabrik – die ebenso als Forschungsanlage für ein künftiges großes Werk gedacht ist – noch ein paar Wochen benötigt, um vollständig hochgefahren zu werden, ist ein entscheidender Fortschritt erzielt: Der Elektrolyseprozess ist aktiviert und somit auch der gesamte Fertigungsprozess, der zu einem Produkt führt, das es bislang nirgends gibt: Lithiumhydroxidmonohydrat. Dieser kritische Rohstoff für die Batteriefertigung wird in Europa gewonnen und veredelt, produziert mit grüner Energie und dabei kostengünstiger als bei vielen Konkurrenten in China oder Australien.
Selbst für einen erfahrenen Chemieingenieur wie Christian Tragut klingt dies so spannend, dass er seinen Vorruhestand beendet und als Produktionsleiter bei dem 2018 gegründeten Start-up aus Karlsruhe anfing. Jetzt überwacht er den Hochlauf der neuen Anlage in Höchst und erläutert Besuchern deren Funktionsweise. Das Herzstück – und gleichzeitig eine absolute Neuheit – ist der Elektrolyseur, in dem mit elektrischem Strom aus einer vierzigprozentigen Lösung aus Wasser und Lithiumchlorid Chlor sowie Lithiumhydroxid voneinander getrennt werden. Mit diesem Verfahren arbeitet weltweit kein anderes Unternehmen in der Lithiumproduktion.
Nach der Elektrolyse wird das Hydroxid in einem mehrstufigen Verfahren mehrfach in Wasser gelöst, anschließend durch Zentrifugation abgetrennt und schließlich getrocknet. Am Schluss entstehe Lithium in einer Reinheit, die weltweit bisher kaum angeboten wird, sagt Tragut. Deshalb wollen die Hersteller zunächst größere Mengen Mustermaterial erhalten, um das europäische Lithium zu testen. Bis zu 50 Tonnen pro Jahr könnte die Anlage liefern.
Der Ingenieur und seine derzeit etwa 130 Kollegen arbeiten im Wesentlichen für ein Unternehmen, das drei Geschäftsmodelle unter einem Dach betreibt: Vulcan ist als Eigentümer eines Geothermiekraftwerks in der Nähe von Landau Produzent von Grünstrom und Fernwärme. Die Energie ist allerdings eine Art Nebenprodukt, denn für ihr Lithiumgeschäft fördern die Karlsruher ebenfalls im Oberrheingraben 170 Grad heißes Thermalwasser aus mehreren Kilometern Tiefe. In diesem Wasser ist in geringer Konzentration das Metall Lithium enthalten. Um an dieses Lithium zu gelangen, muss die Sole abgekühlt werden – das ist die Quelle für die Energieproduktion.
Die Kombination aus Geothermie und Lithiumgewinnung macht das Verfahren der Karlsruher nachhaltiger als etwa die Gewinnung aus Salzseen oder im Bergbau, wie es in anderen Ländern üblich ist. Kurze Wege zwischen Rohstoffquelle und Abnehmern machen die Produktion außerdem kostengünstig. Mit der Inbetriebnahme der Höchster Anlage beherrscht Vulcan den gesamten Veredelungsprozess des begehrten Materials und ist nun auch Hersteller und Lieferant für Batterie- und Automobilhersteller, die die Hauptabnehmer für große Mengen Lithium sind.
Dabei wird aus dem Thermalwasser unmittelbar nach der Förderung eine auf 40 Prozent konzentrierte Lithiumchloridlösung gewonnen. Diese Lösung bildet das Ausgangsmaterial für die Veredelung in Höchst. Momentan wird sie in Eintausendlitertanks angeliefert. Doch in naher Zukunft sollen es ganze Tanklaster sein, die zwischen den Produktionsstätten von Vulcan pendeln. Die Karlsruher planen, bis 2027, nach einer Investition von rund zwei Milliarden Euro, eine kommerzielle Fabrik zur Lithiumveredelung zu eröffnen.
Diese soll ab dem nächsten Jahr in den südlichen Bereich des Höchster Industrieparks errichtet werden und um ein Vielfaches größer sein als die am Freitag eröffnete Forschungsanlage, die vor allem der Prozessoptimierung und Kundendemonstration dient. Eine Produktionskapazität von 24.000 Tonnen jährlich ist vorgesehen, wenn die kommerzielle Produktion startet. Weitere Ausbaustufen sind bereits mitgeplant.
Mit der jährlichen Produktion von 24.000 Tonnen wäre rechnerisch der Bedarf für eine halbe Million Fahrzeuge gedeckt. Die Produktionsmenge ist für die nächsten zehn Jahre bereits weitgehend verkauft: Unternehmen wie die Autokonzerne Stellantis und Renault sowie die Batteriehersteller LG und Umicore haben bereits Abnahmeverträge für das Lithium aus Höchst unterzeichnet.