Aktueller Auftragsmangel: Eine Ursache für Sorgen deutscher Unternehmen
Die Sorge über mangelnde Aufträge belastet derzeit zahlreiche deutsche Firmen genauso stark wie zuletzt während der Finanzkrise 2009. Dies geht aus einem Bericht des Münchner ifo Instituts hervor, der auf einer jüngsten Umfrage unter Managern basiert. Nach Angaben des Instituts berichten 41,5 Prozent der Unternehmen über fehlende Aufträge. Noch im Juli lag dieser Anteil bei 39,4 Prozent.
Der Leiter der ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe, beschrieb die Situation wie folgt: “Der Mangel an Aufträgen bremst weiterhin die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland ein. Kaum eine Branche bleibt davon unberührt.” Besonders betroffen sei die Industrie mit einer Quote von 47,7 Prozent, wobei Kernbranchen wie Maschinenbau und Metall- und Elektroindustrie um ihr Neugeschäft fürchten. “Die im September erneut gestiegenen Auftragsbestände könnten ein Hoffnungsschimmer sein”, fügte Wohlrabe hinzu. “Aber es liegt noch ein weiter Weg vor uns, bis die Auftragsbücher wieder gefüllt sind.”
Schwierige Zeiten für Logistiker und Leiharbeitsfirmen
In der Metallindustrie klagen mehr als 68 Prozent der Unternehmen über einen Mangel an Aufträgen, im Maschinenbau sind es fast 55 Prozent. Auch in der Autoindustrie und der Chemiebranche sehen sich jeweils rund 44 Prozent der Firmen mit Auftragsrückgängen konfrontiert. Bessere Zeiten erleben hingegen Branchen wie die Lebensmittel- und Getränkeherstellung, wo der Anteil der Unternehmen mit unzureichenden Aufträgen unter 20 Prozent liegt.
Aufgrund der düsteren Lage in der Industrie leidet auch der Transportsektor, bei dem ebenfalls Auftragsmangel herrscht. Bei Personalagenturen liegt dieser Anteil sogar bei zwei Dritteln. “Leiharbeiter sind in der gegenwärtigen Situation weniger gefragt”, erklärte Wohlrabe. Generell sei die Lage im Dienstleistungssektor mit 32,1 Prozent der Unternehmen, die über fehlende Aufträge berichten, zwar günstiger als in der Industrie. Doch hat sich auch dort die Situation mit einem Anstieg von 0,9 Prozent zuletzt verschlechtert.
Industriekrise zieht Kreise
Die aktuelle Krise in der Industrie erfasst zunehmend breitere Bereiche der Wirtschaft. Wenn eine große Branche der deutschen Wirtschaft in Schieflage gerät, ist es nicht ungewöhnlich, dass dies schnell zur Chefsache erklärt wird. Während Angela Merkels Amtszeit als Bundeskanzlerin wurden in solchen Fällen Autogipfel einberufen. Doch in der heutigen Zeit weiten sich die Probleme aus und betreffen nicht nur die Autobranche, sondern die gesamte deutsche Industrie. Und so steht an diesem Dienstag ein Treffen im Kanzleramt mit Olaf Scholz an, um Lösungsansätze für die Krise zu diskutieren.
Kürzlich musste die Bundesregierung ihre Konjunkturprognose nach unten korrigieren. Ursprünglich war davon ausgegangen worden, dass die Wirtschaft in diesem Jahr wieder wachsen wird. Nun rechnet man jedoch mit einem Rückgang um 0,2 Prozent, was bedeutet, dass die Wirtschaft sich in einer Rezession befindet. In der jüngsten Folge des ZEIT-Wirtschaftspodcasts “Ist das eine Blase?” wird über Strategien zur Überwindung der Krise diskutiert. Geraldine Dany-Knedlik, die Leiterin der Konjunkturforschung am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, sagte: “Wenn es in der Industrie Probleme gibt, dann strahlt das ab.”
Positive Aussichten für Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsfirmen
Während viele Branchen unter Auftragsrückgängen leiden, erweisen sich Beratungsfirmen und Wirtschaftsprüfer als eine Ausnahme. In der Gastronomie beispielsweise mangelt es mehr als einem Drittel der Betriebe an Gästen. Besonders hoch sei der Anteil bei Veranstaltern, wo im Vergleich zu 38,5 Prozent im Juli nun 48,5 Prozent über Ausfälle klagen. Kleine Veranstalter sind davon besonders betroffen, was Wohlrabe darauf zurückführt, dass größere Events Kaufkraft abgezogen haben, wie etwa Sommerkonzerte prominenter Musiker.
Im Bereich der Rechts- und Steuerberatung sowie der Wirtschaftsprüfung gibt es laut Umfrage jedoch kaum Klagen. Hier sorgt der hohe Regulierungsaufwand in anderen Branchen derzeit für einen erhöhten Bedarf an Beratung. Nur neun Prozent der Berater und Prüfer berichten über zu wenige Aufträge.
Über das ifo Institut
Das ifo Institut in München widmet sich seit 1949 der Analyse von Wirtschaftspolitik. Rund zwei Drittel seines Budgets stammen aus öffentlichen Mitteln. Der restliche Anteil kommt aus anderen Quellen, etwa der Politikberatung. Bekannt ist das Institut vor allem für seinen monatlichen Geschäftsklimaindex und wird seit 2016 von Clemens Fuest geleitet.
Fazit: Eine herausfordernde Wirtschaftslandschaft
Die aktuelle Situation verdeutlicht die Herausforderungen, denen sich die deutsche Wirtschaft gegenübersieht. Der Auftragsmangel, der seit der Finanzkrise 2009 nicht mehr so stark zu spüren war, schlägt jetzt in zahlreichen Branchen zu Buche. Dies bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaftslage. Erfreulich ist, dass es trotz allem Bereiche gibt, die weiterhin gedeihen. Sei es durch steigende Nachfrage nach Beratungsleistungen oder durch einen stabilen Lebensmittelsektor.
Die Krise in der Industrie zieht sich quer durch das wirtschaftliche Gefüge und beeinflusst angrenzende Sektoren. Die Bundesregierung steht vor der Herausforderung, effektive Lösungen zu entwickeln, um den gegenwärtigen wirtschaftlichen Abschwung zu überwinden und die deutschen Unternehmen erneut zu Wachstumszahlen zu führen.