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Insolvenzen in Deutschland nehmen rasant zu: Die Gründe für die Pleitewelle – CHIP Online Deutschland

Zunahme der Insolvenzen in Deutschland: Ursachen der Pleitewelle

Fast täglich meldet ein Unternehmen in Deutschland Konkurs an. Auch in Jahren starken Wirtschaftswachstums ist dies der Fall. Dennoch scheint speziell bei größeren mittelständischen Betrieben die Zahl der Insolvenzen zuletzt zuzunehmen. Was sagt die Statistik dazu aus? Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn klärt darüber auf. Die Forscher werten offizielle statistische Daten aus. Mittels Steueranmeldungen ermitteln die Wirtschaftsexperten zudem die Anzahl der Existenzgründungen in freien Berufen sowie im Bereich der Land- und Forstwirtschaft.

Im Jahr 2023 berichteten in Deutschland 17.814 Unternehmen in der Bundesrepublik von einer Insolvenz. Dies entspricht einem deutlichen Anstieg von 22,1 Prozent oder rund 2.300 Unternehmen mehr im Vergleich zum Vorjahr. Es gibt allerdings dafür eine Erklärung, so die Wissenschaftler.

Deutlicher Anstieg der Insolvenzen im Jahr 2023

„Diese Zunahme war angesichts der Krisen und der gestiegenen Finanzierungskosten zu erwarten. In den Jahren zuvor hatten die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht aufgrund der Pandemiefolgen und die Bereitstellung von Fördermitteln noch zu einem niedrigen Insolvenzniveau geführt“, erklären die Ökonomen. Im Vergleich: Zwischen 2020 und 2022 lag die Zahl der Insolvenzen immer unter 16.000 Unternehmen, wie die Analyse des IfM zeigt.

Insgesamt kommentieren die Forscher, dass „die Anzahl der Insolvenzen weiterhin auf einem niedrigen Niveau verharrt“. Dies zeigt der Blick auf die Zahlen der letzten 13 Jahre. Auch im Verhältnis zur Gesamtzahl der Unternehmen bleibt die Zahl der Insolvenzen gering. Im Jahr 2023 waren es nur 5,7 je 1.000 Unternehmen, die zahlungsunfähig wurden – etwas mehr als 2022, aber deutlich weniger als vor einem Jahrzehnt, als acht von 1.000 Unternehmen betroffen waren.

Insolvenzen sind nur ein kleiner Teil der Unternehmensschließungen

Diese Zahlen erfassen jedoch nur einen geringen Teil der Geschäftsschließungen. Denn Insolvenzen bleiben „eine relativ seltene Form der Unternehmensschließung“. Neun von zehn Firmen beenden aus eigenem Antrieb ihre Tätigkeit, wenn es keinen Zukunftsausblick mehr gibt.

Darüber hinaus sagt die bloße Zahl der Insolvenzen nichts darüber aus, welche Firmen betroffen sind. Es könnte sich um einen Mittelständler mit potenziell tausenden Arbeitnehmern oder einen kleinen Betrieb mit wenigen Beschäftigten handeln. Daher gibt die amtliche Statistik auch Auskunft über die Beschäftigtengrößenklassen, die jedoch nicht mit den Schwellenwerten der KMU-Definition übereinstimmen. Mehrheitlich gehören insolvente Firmen laut IfM zu Kleinstunternehmen.

Besonders mittelgroße Unternehmen kämpften

Über alle Größenklassen hinweg nahmen die Insolvenzen 2023 zu, insbesondere bei Firmen mit elf bis 100 Mitarbeitern (plus 55 Prozent) und bei Unternehmen mit mehr als 101 Beschäftigten (plus 70 Prozent). Häufig gibt es jedoch keine Angaben darüber, wie viele Arbeitnehmer betroffen sind. Die Unternehmensauskunftei Creditreform bewertet die Zahlen nach Umsatz neu. Hier zeigt sich, dass 2023 die Insolvenzen bei Firmen mit einem Umsatz von 25 bis 50 Millionen Euro um merkliche 63 Prozent und bei Firmen mit mehr als 50 Millionen Euro sogar um 67 Prozent stiegen.

Insolvenzwelle trifft nicht alle Branchen gleich

Nicht jede Branche ist gleichermaßen von der Insolvenzzunahme betroffen. Besonders der Gesundheits- und Sozialbereich sticht hervor, wo sich die Insolvenzgefahr nahezu verdoppelte, häufig betroffen waren Krankenhäuser und größere Pflegeeinrichtungen, so die IfM-Forscher. Im Verkehrssektor blieb die Zahl der Insolvenzen dagegen nahezu unverändert im Vergleich zum Vorjahr. Trotz der stockenden Konjunktur im Bauwesen gab es hier ebenfalls nur einen moderaten Anstieg.

Die Ökonomen stellen fest: „Die krisenhafte Entwicklung im Baubereich betrifft (noch) nicht die breite Masse der Bauunternehmen, sondern überwiegend Bauträger, Projekt- und Immobilienentwickler, die teils zum Bereich Grundstücks- und Wohnungswesen zählen.“

Insolvenz bedeutet nicht immer Schließung

Wichtig ist, dass nicht jede Insolvenz eine vollständige Schließung einer Firma und den Verlust von Arbeitsplätzen bedeutet. Auch wenn umgangssprachlich oft von einer Pleite die Rede ist, bedeutet Insolvenz zunächst, dass ein Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann oder überschuldet ist. In vielen Fällen folgt auf eine Insolvenz eine Restrukturierung, gelegentlich in Form von „Eigenverwaltung“.

Dies zeigen Beispiele wie der Warenhauskonzern Galeria – die in Deutschland weitbekannte Kette durchlief bereits das dritte Insolvenzverfahren. Obwohl zahlreiche Standorte geschlossen und Mitarbeiter entlassen wurden, beschäftigt das Unternehmen weiterhin über 10.000 Beschäftigte.

Fortbestand bei Großunternehmen oft Ziel

Generell, wie die IfM-Auswertung zeigt, steigt die Zahl der Insolvenzen in Eigenverwaltung. Laut Kanzlei Baker Tilly wurde 2022 in 198 Fällen die Eigenverwaltung gewährt, 2023 stieg die Zahl auf 345. Besonders häufig beschreiten GmbHs und größere Unternehmen diesen Weg. Wie bei Galeria ist dabei der Fortbestand des Unternehmens das Ziel. Die IfM-Forscher fassen zusammen: „Bei größeren Unternehmen kann daher bei einem Insolvenzantrag nicht mehr zwangsläufig von einer Schließung oder Standortabwicklung ausgegangen werden.“

Kürzliche Insolvenzen schockieren Verbraucher

Jüngst schockierte die große Krise bei VW die Wirtschaft, mit nachfolgenden Werksschließungen. Auch das Aus eines Schokoladeherstellers beunruhigte Verbraucher. Leider müssen immer häufiger Traditionsunternehmen, die seit vielen Jahren am Markt etabliert sind, Insolvenz anmelden.