Stimmen zur Regierungskrise
»Täglich zur Arbeit, obwohl er längst tot ist« — Bundeskanzler Scholz bei »Caren Miosga«: Vertrauensfrage vor Weihnachten denkbar. Wann werden Neuwahlen stattfinden? Diese Frage wurde am Sonntagabend von Olaf Scholz in der Sendung von Caren Miosga behandelt. Der Bundeskanzler zeigte sich offen für eine zeitnähere Lösung als zunächst geplant: „Dass ich noch vor Weihnachten die Vertrauensfrage stelle, ist für mich überhaupt kein Problem, wenn sich alle gemeinsam darauf einigen“, sagte Scholz. Nach dem Zerbrechen der Ampelregierung drängt vor allem die Union auf zügige Neuwahlen. Dass Scholz nun einlenkt, dürfte vielen gefallen. Dennoch verärgerte der sonst eher einsilbige Auftritt des Kanzlers einige Beobachter. Ein Überblick.
Reaktionen im Netz auf den Scholz-Auftritt bei Miosga
Der Humorist Florian Schroeder schreibt bei X: »Wie oft hat er genau gesagt, dass er sich ›bemüht‹ hat? Er wirkte dabei wie ein Schüler, der versetzungsgefährdet ist, aber nicht zugeben will, dass er die Klasse besser wiederholen – oder besser gleich die Schule verlassen sollte.« Scholz habe sich arrogant und naiv gezeigt, seine kurzen Antworten hätten nur verschleiern sollen, »dass er eigentlich nichts zu sagen hat«.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Jens Spahn, bezeichnete Scholz als »dünnhäutig, selbstgefällig, machtvergessen«. Der Auftritt habe gezeigt: »Der Bundeskanzler lebt in seiner eigenen kleinen Welt«, schreibt Spahn: »Und so zeigt Olaf Scholz nicht einmal im Abschied Führungsstärke. Wer bei ihm Führung bestellt, bekommt: gar nichts.«
Janosch Dahmen, Abgeordneter der Grünen, kritisierte die Debatte über den Wahltermin. »Es ist doch klar, dass wir jetzt Wahlen zum frühestmöglichen Zeitpunkt brauchen«, schreibt er bei X: »Die Obsession jedoch, über den Wahltermin zu streiten statt über Lösungen für die Krisen & Probleme unserer Zeit, befremdet mich sehr. Es benötigt jetzt Verantwortung & Vernunft!«
Dorothee Bär, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, kritisierte eine »zur Schau gestellte Selbstgefälligkeit«. Zu einem Vergleich mit CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte Scholz zudem gesagt, er sei »etwas cooler« als Merz, wenn es um Staatsangelegenheiten gehe. »Ich will keinen coolen Kanzler, sondern einen guten!«, schrieb Bär dazu.
Moderator Micky Beisenherz zog Parallelen zu einem Mystery-Thriller. »In ›The Sixth Sense‹ geht Bruce Willis jeden Tag zur Arbeit, obwohl er eigentlich längst tot ist. Er weiß es nur nicht. Bei der Gelegenheit: Hat jemand Olaf Scholz bei Miosga gesehen?«
Spannende Nachricht: Neuwahlen bald möglich
Die spannende Nachricht: Neuwahlen könnten bereits bald abgehalten werden. Die schlichte Wahrheit: Olaf Scholz bleibt der Sprachautomat, der er immer war. Bei seinem Soloauftritt bei Miosga wappnet er sich bereits für den anstehenden Wahlkampf.
Wie das Ausland die deutsche Regierungskrise sieht
Während in Deutschland der Tag der Vertrauensfrage und ein Wahltermin diskutiert werden, richten ausländische Medien ihren Blick darauf, was das Ende der Ampelkoalition für Europa und die Welt bedeutet – insbesondere mit Blick auf den kommenden US-Präsidenten Donald Trump.
- »Politiken« (Dänemark): »Was für eine Woche. Am Mittwochmorgen war klar, dass Donald Trump als Präsident der USA zurückkehrt. Und am Abend zerbrach die bedeutendste Regierung der EU, die deutsche, nahezu vollständig. Nur wenige werden sie vermissen.«
- »Le Monde« (Frankreich): »Es wurde erwartet, dass Donald Trumps Sieg die Reihen der seit 2021 in Berlin regierenden Koalition schließen würde; er führte letztlich zu einer Explosion.«
- »The Guardian« (Großbritannien): »Deutschland wird nun – ähnlich wie Frankreich nach Emmanuel Macrons Fehlkalkulationen im Sommer – eine Phase der Instabilität unter einer schwachen Minderheitsregierung durchleben müssen. Dies ist alles andere als ideal in einer Zeit, in der Donald Trump plant, die westliche Politik in Bezug auf die Ukraine neu zu gestalten und die Europäische Union in Handelsfragen herauszufordern. In einem entscheidenden Moment stottert und keucht der berüchtigte deutsch-französische ›Motor‹ der europäischen Integration und Einheit.«
Reaktionen europäischer und internationaler Medien
- »Corriere della Sera« (Italien): »Es hat keinen Sinn, sich etwas vorzumachen. Ohne die Liberalen wird Scholz die für die Verabschiedung des Haushaltsgesetzes erforderliche Vertrauensabstimmung im Bundestag nicht bestehen, und Deutschland wird bald wieder an die Urnen gehen, wahrscheinlich im nächsten Frühjahr.«
- »El Mundo« (Spanien): »Der Bruch der Koalition in Deutschland nach der Entlassung der Liberalen aus der Regierung von Olaf Scholz verstärkt die Schwäche des Kanzlers und die Lähmung des wirtschaftlichen Motors der EU. Und das geschieht gerade in einem Moment, in dem Europa das Gegenteil braucht: die Stärkung seiner Führung und seiner strategischen Autonomie angesichts der Rückkehr von Donald Trump, einem isolationistischen Präsidenten, der droht, die transatlantischen Beziehungen zu überdenken.«
- »Göteborgs-Posten« (Schweden): »Die Deutschen befinden sich jetzt dort, wo Schweden vor zehn Jahren war: Auf unterschiedliche Weise wird versucht, so zu tun, als gäbe es die Protestparteien nicht. Die Folge ist, dass die etablierten Parteien gezwungen sind, zusammen in unheiligen Bündnissen zu regieren und damit ihr eigenes Vertrauen weiter zu untergraben – während die Populisten nur an Stärke gewinnen. Das Ganze ähnelt einer klassischen Tragödie, in der der Held unfreiwillig seinen eigenen Untergang herbeiführt.«
»Neue Zürcher Zeitung« (Schweiz): »Die sogenannte ›Ampel‹ war ein Bündnis der Ideologie, des Irrtums und der Selbsttäuschung. Insofern war es folgerichtig, dass ihre Protagonisten in genau diesem Modus auch noch ihren Abgang verstolperten.«
»Tages-Anzeiger« (Schweiz): »Kanzler Scholz hat nun also ein Machtwort gesprochen und Lindners Aufstand beendet. (…) Es ist wenig wahrscheinlich, dass sich die nächste Regierung leichter mit den anstehenden Aufgaben tut als die Ampel. Angesichts der Stärkeverhältnisse wird auch sie wieder zwei oder mehr Parteien über die politische Mitte hinweg vereinen müssen – mit allen ideologischen Widersprüchen, die das mit sich bringt.«
Medienecho weltweit
- »Nepszava« (Ungarn): »Wegen der systemischen Schwierigkeiten der deutschen Wirtschaft ist es unwahrscheinlich, dass ein Regierungswechsel, die Rückkehr der Unionsparteien an die Macht oder eine Große Koalition quasi automatisch die Probleme des Landes lösen kann. Dabei würde Europa ein starkes Deutschland brauchen. Gerade jetzt.«
- »New York Times« (USA): »Vermisst in Europa: Eine starke Führungspersönlichkeit für die neue Trump-Ära (…) Die Unsicherheit von Paris bis Berlin hat ein kontinentales Machtvakuum geschaffen, das Russland in seinem Krieg in der Ukraine bestärken könnte. Sie droht, Europas Fähigkeit zu beeinträchtigen, auf einen globalen Handelskrieg zu reagieren, falls Trump im nächsten Jahr rasch hohe Steuern auf Importe in die Vereinigten Staaten erheben sollte.«
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