Nach dem Ende der Koalition
Nach dem Ende der dreifarbigen Koalition stellten sich viele Fragen zu den geplanten Projekten. Themen wie Steuererleichterungen, Rentenreform und Erhöhung des Kindergeldes standen im Fokus. Wird das Bundesverfassungsgericht reformiert und welche Projekte werden weiterhin verfolgt?
Bundesverfassungsgericht: Reform in Aussicht
Ungeachtet des Bruchs der Koalition erscheint die Reform des Bundesverfassungsgerichts im Bundestag weiterhin mehrheitsfähig. Bereits vor Monaten hatten SPD, Grüne, FDP und die Union ein gemeinsames Interesse an einem stärkeren Schutz des Gerichts signalisiert. Ziel der Reform ist es, Regeln für das Bundesverfassungsgericht im Grundgesetz zu verankern, damit sie nicht mit einfacher Mehrheit geändert werden können. Der öffentliche Druck ist groß, insbesondere nach den Entwicklungen in Ländern wie Polen und Ungarn, wo die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet wurde. Acht Juristenverbände forderten die Parteien zuletzt auf, zu einer Einigung zu kommen.
Asylpolitik: Einigung möglich?
Ein weiteres innenpolitisches Thema mit Potenzial für eine Einigung ist das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS). Zwei Jahre hat Deutschland Zeit, die neuen EU-Regeln umzusetzen. Es gibt bereits einen Kabinettsbeschluss der früheren Koalition. Die Union selbst hat regelmäßig auf verschärfte Asylregeln gedrängt, die teilweise über das GEAS hinausgingen. Ob hier eine Einigung zustande kommt, bleibt abzuwarten.
Steuern und Kindergeld: Gemeinsame Linie
In Bezug auf Steuererleichterungen sind sich SPD, Grüne, FDP und Union grundsätzlich einig: Wichtige Freibeträge wie der Grundfreibetrag und der Kinderfreibetrag sollen angehoben werden, um der Inflation Rechnung zu tragen. Das Kindergeld soll um fünf Euro auf 255 Euro pro Monat steigen. Möglicherweise wird der Beschluss im neuen Jahr rückwirkend gefasst, um die finanzielle Entlastung sicherzustellen.
Rentenreform: Uneinigkeit bleibt
Monatelang hatten die Koalitionspartner über das Rentenpaket diskutiert, das schließlich Ende Mai im Bundeskabinett verabschiedet wurde. Ziel ist es, das Rentenniveau bis 2039 stabil bei 48 Prozent zu halten, was das Verhältnis der Renten zu den Löhnen in Deutschland betrifft. Die SPD möchte die Rentenreform trotz des Koalitionsaus über den Bundestag bringen und hofft auf die nötige Mehrheit. Die Union hat jedoch unter der Führung von Mathias Middelberg signalisiert, dass sie dem Paket nicht zustimmen wird. Auch auf die frühere Koalitionspartnerin FDP können SPD und Grüne wohl nicht zählen.
Haushalt: Vorläufige Führung
Ein Haushalt für das kommende Jahr wird in der aktuellen Konstellation nicht beschlossen werden. Dennoch wird es zu keinem Stillstand kommen wie in den USA. Beamte müssen nicht um ihre Gehälter fürchten und Rentner nicht um ihre Renten. Alle gesetzlich geregelten Ausgaben werden im Rahmen der sogenannten vorläufigen Haushaltsführung bezahlt. Neue Ausgaben, insbesondere für Unternehmen, die im Rahmen der Wachstumsinitiative geplant waren, könnten jedoch verzögert werden.
Deutschlandticket: Kurzfristig stabil, langfristig unsicher
Die unmittelbaren Folgen des Koalitionsendes auf das Deutschlandticket sind gering. Die Verkehrsministerkonferenz hatte bereits beschlossen, dass das Ticket ab Januar teurer wird und nicht mehr 49 Euro, sondern 58 Euro pro Monat kosten wird. Langfristig könnte der Preis jedoch weiter steigen, falls die Finanzierung nicht ausreicht. Sowohl die Verkehrsminister der Länder als auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing haben vor einer möglichen Preissteigerung gewarnt. Die Finanzierung des Tickets für 2024 und 2025 steht unter dem Vorbehalt eines Bundestagsbeschlusses zum Regionalisierungsgesetz, der derzeit in der Schwebe ist.
Bahnsanierung: Fortschritte stehen auf der Kippe
Die Bundesregierung hatte geplante Milliardeninvestitionen, um das veraltete Schienennetz in Deutschland zu modernisieren und die Bahn zu einem zuverlässigen Verkehrsträger zu machen. Bis 2030 sollten stark belastete Strecken grundlegend erneuert werden. Die erste Strecke, die Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim, wird seit Mitte Juli saniert. Für 2025 ist die Strecke zwischen Berlin und Hamburg vorgesehen. Doch die Finanzierung der Bauarbeiten ist wegen des Regierungsbruchs unsicher, was die Eisenbahner-Gewerkschaft EVG besorgt. Verkehrsminister Volker Wissing hat jedoch betont, bis zu den Neuwahlen an dem Projekt festhalten zu wollen.
Digitalpakt Schule: Ein unsicheres Zukunftsprojekt
Das Ende der dreifarbigen Koalition bedeutet das vorläufige Ende des Digitalpakts Schule. Der Deutsche Lehrerverband sieht die Finanzierung als ungeklärt, weshalb die Verantwortung auf die nächste Regierung fällt. Bis zur Bildung einer neuen Regierung könnte es lange dauern. Stefan Düll, der Präsident des Lehrerverbands, befürchtet, dass die Bildung in der Zwischenzeit negativ beeinflusst wird. Er fordert von allen Parteien im kommenden Wahlkampf ein klares Bekenntnis zum Digitalpakt Schule mit ausreichender Finanzierung. Denn der Erfolg des Digitalpakts hängt davon ab, dass Bund und Länder Gelder für digitale Geräte bereitstellen. In den Bundesländern ist die Hoffnung zwar noch nicht gestorben, aber die Chancen, dass der neue Bildungsminister Cem Özdemir den Digitalpakt vorantreiben könnte, werden als gering eingeschätzt. Obwohl Özdemir das Thema möglicherweise mit Interesse verfolgt, plant er 2026 Ministerpräsident von Baden-Württemberg zu werden; Bildung bleibt jedoch vorwiegend Ländersache.